ÜBER DAS DIALOGISCHE PRINZIP
Birgit Maria Wolf

Das Arbeitsvorhaben konzentriert sich auf einen Werkzyklus mit dem Titel:"Über das dialogische Prinzip".
Die Technik ist wie in meiner bisherigen künstlerischen Arbeit, diverse ungefärbte Sandarten (unterschiedlicher Farbe und Körnigkeit), fixiert auf Nessel, gespannt auf Keilrahmen. Die spezielle Materialität des Sandes impliziert die Momente der Zeitlichkeit, des Fließens und Anhaltens. Der haptische Effekt spielt eine entscheidende Rolle.
Ausgangspunkt der neuen Arbeiten ist eine spontane lineare Zeichnung auf einem quadratischen Notizzettel. Auf diese Linie reagiert eine andere Person mit einer zweiten Zeichnung, die die erste Linie oder Skizze durchkreuzt, umspielt, integriert oder ignoriert etc..
Durch Vervielfältigung dieser Skizze entsteht ein Muster (Ornament) - sie dient als Rapport. Das entstandene Ornament wird auf die Leinwand übertragen. Die beiden sich ineinander verschlingenden Linien werden mit Sand in unterschiedlichen Farben fixiert.
Jedes Bild erhält ein spezifisches Ornament, einen eigenen Klang, einen individuellen Rhythmus. Es ist ein Spiel über Dialoge - über das Verhältnis von ICH und DU - über die Elemente des Zwischenmenschlichen.(Jegliche Art von Konflikt ist mit inbegriffen.)
Durch die ornamentale Harmonisierung und Dynamisierung entsteht die Vision, die durch zwangsweise Globalisierung zusammengeführten Kulturen auf einer künstlerischen Ebene zu versöhnen.
Es ist die aktuelle Frage nach der interkulturellen Erfahrung, die ohne das Moment des Fremden unmöglich wäre, wo das Fremde seinen eigenen Ort besitzt, und zwar sowohl in der individuellen als auch in der kollektiven Erfahrung. Es ist ein Plädoyer dafür, das Fremde und Andere nicht zu verdrängen, wiewohl es beunruhigt, verstört, verwundert oder beängstigt etc. Durch das Fremde oder Andere erlebt das Selbst einer jeden Kultur, dass es Zustände der Verunsicherung unserer selbst gibt. - Aber dies ist auch die Möglichkeit des Dialogs und der Begegnung.
"Ich werde sprechend Du - Alles wirkliche Leben ist Begegnung ... . Sich vom Du wirklich begrenzen lassen ist wichtig, aber weit wichtiger vermag zu sein, sich dem uns beide einander entgrenzenden Unbegrenzten auszusetzen."(Martin Buber: Das dialogische Prinzip)


Birgit Maria Wolf "Dialog", Sand auf Leinwand, 200cm x 200cm, 2007
Maren Wienigk (Kunsthistorikerin)

Der Ausschnitt eines ewigen, rhythmischen Musters, gebildet aus zwei sich durch die Fläche schlängelnden Linien, die Formen wiederholen, wird festgehalten im Werk von Birgit Maria Wolf.
Auffällig ist die Materialität, durch welche die Arbeit eine starke haptische Qualität erhält. Die Linien bilden ein Relief, sie sind aus naturbelassenem Sand in einem zügigen, vor allem kontinuierlichen Prozess geformt. Der Lauf, die Zeitlichkeit und der Rhythmus der Natur spiegeln sich im Material wider und somit verweist das Werk auf einen angehaltenen Moment in den wiederkehrenden Prozessen der Welt.
Ausgangspunkt der geformten Knoten ist eine spontan gesetzte Linie auf einem Notizzettel, auf die eine zweite Person ebenfalls mit einer Linie, jedoch mit anderer Farbe antwortet, in diesem Fall eine Linie der Künstlerin und eine Reaktion ihrer Tochter. Birgit Maria Wolf visualisiert auch andere Relationen und Beziehungen in dieser ihr eigenen Methodik. So entstehen Liniengespräche in deren Konstellationen kulturelle, politische und private Spannungsverhältnisse existieren. Die entstandene Form wird durch Vervielfältigung zum Rapport und auf eine zwei mal zwei Meter große Leinwand übertragen, die aus vier quadratischen Einzelstücken besteht. Eine Linie geht von einer Form in die andere über. Die ungleichen Formen sind jeweils übereinander gelagert, somit entsteht die Ausgangsfigur immer wieder. Fünf aus Linien gebildete, geformte Bänder schlängeln sich diagonal durch das Bild. Es gibt keinen Rahmen, keine Begrenzung, die Linien fließen weiter.
"Dialog" visualisiert durch die ornamentale Harmonisierung und Dynamisierung die Elemente des Zwischenmenschlichen.