Weißdüne
Birgit Maria Wolf im Kunstmuseum Ahrenshoop 06/2011
Begleittext zur Ausstellung (Luise Michel)


Die von der Berliner Künstlerin Birgit Maria Wolf für den Innenraum der Infobox des Kunstmuseums konzipierte Arbeit "Weißdüne" führt dem Betrachter in großer Detailtreue Blütenpflanzen und Gräser vor Augen, welche auf der Weißdüne gedeihen und dort den Widrigkeiten des Naturraums trotzen. Birgit Maria Wolf bezeichnet sie als "Lebenskünstler", weil sie dort unter schwierigsten Bedingungen wachsen und blühen. Die Künstlerin hat die Flora der Weißdüne 2009 während eines Stipendienaufenthaltes im Edvard- Munch- Haus in Warnemünde erkundet und sich wissenschaftlich beraten lassen. Sie fand heraus, dass einige der Pflanzen auf der sogenannten Roten Liste stehen und stark gefährdet sind - die künstlerische Idee zu ihrem "Weißdünen-Fries" war geboren.
Die Pflanzenwelt der Weißdüne stellt sie im Kunstwerk in ihrer präzisen Umrisshaftigkeit mit Verzicht auf die Binnenstruktur maßstabgetreu dar, wobei die Haptik des verwendeten Materials Sand einen dreidimensionalen, reliefhaften Charakter Die Verwendung von Sand ist nicht zufällig, denn die Pflanzen sind mit ihrem Wurzelwerk an den flüchtigen Sand lebenswichtig gebunden und haben es geschafft in diesem eher lebensfeindlichen Raum zu überleben. Die Pflanze gehört zum Sand, so wie der Sand zur Pflanze gehört. Nur zusammen erschaffen sie den Landschaftsraum Düne. Gemeinsam bewegen sie sich durch fortwährende Veränderung in Zeit und Raum und schaffen so endlose sich verändernde Räume. Diese feinen, über lange Zeiträume stattfindenden Veränderungen der Landschaft sind für das menschliche Auge kurzfristig kaum wahrnehmbar, durch menschliche Eingriffe werden sie jedoch wie im Eiltempo vollzogen. Diese Beschleunigung wird von der Künstlerin subtil thematisiert. Ihr Plädoyer für eine langsame natürliche Veränderung, wie sie seit Jahrmillionen von Statten geht, findet Entsprechung im aufwändigen und detaillierten Arbeitsprozess, in dem die Werke Birgit Maria Wolfs entstehen. Sie weist künstlerisch-ästhetisch auf den möglichen Verlust der Artenvielfalt auf der Weißdüne hin. Hatte ihr 2010 in Ahrenshoop vorgestelltes "Bernsteinzimmer" auf kulturelle Verluste rekurriert, so geht es in dieser aktuellen Arbeit um das elementare Leben in seiner Fragilität und seinem Beharrungsvermögen. Die Künstlerin arbeitet seit zwanzig Jahren über das Thema "Ornament" und mit Sand. Die Verwendung von Ornamentstrukturen und die spezielle Materialität des Sandes implizieren Momente der Zeitlichkeit, des Fließens und Anhaltens. Die von ihr gesammelten, ungefärbten Sande stammen aus der ganzen Welt - auch aus dem Ostseeraum und aus Ahrenshoop. Die sanften Farbtöne, die sie für den "Weißdünen-Fries" verwendete, betonen die Unscheinbarkeit der Pflanzen und nehmen so Bezug zu der Gestalt der Pflanzenwelt. Der "Weißdünen-Fries" erhielt 2010 im Kreativwettbewerb "Kunst und Wissenschaft" der Berliner Wirtschaftsgespräche e. V. den Publikumspreis. Es wird u.a. eine Brücke geschlagen zum aktuellen Diskurs über Artenschutz und Biodiversität.


Die Weißdüne besiedelnde Pflanzenarten

1. Gänsedistel Souchus asper 2. Strandquecke Elymus 3. Meersenf Cakile maritima 4. Graugrüner Gänsefuß Chenopokium glaucum 5. Gänsedistel Sonchus arvensis 6. Grasnelke Armeria 7. Salzbeifuß Artemisia maritima 8. Salzniere Hauckeuya peploides 9. Strandaster Tripolium pannonicum o. Aster tripolium 10. Stranddistel Eryngium maritimum 11. Salzmelde Artriplex hastata o. Artriplex portu lacoides? 12. Strandhafer Ammophila 13. Strandplatterbse Lathyrus japonicus 14. Strandquecke Elymus athericus 15. Binsenquecke (Strandweizen) Elymus farctus 16. Strandroggen Leymus arenarius 17. Strandzaunwinde Calystegia soldanella 18. Tatarenlattich Lactuca tatarica 19. Strandkamille Tripleurospermum maritimus 20. Kali Salzkraut Kali soda 21. Stranddistel Eryngium maritimum 22. Tausendgüldenkraut Centaurium


Dünenlandschaft in der Infobox
Kunstmuseum zeigt Birgit Maria Wolf
Ostsee-Zeitung, 06.06.2011

Ahrenshoop - Im Ausstellungsprogramm in der "Infobox" des Kunstmuseums Ahrenshoop steht ein neuer Termin. Birgit Maria Wolf zeigt ab 12. Juni Arbeiten unter den Titel "Weißdüne".
Zur Vernissage ist am 11. Juni um 17 Uhr eingeladen. Es musiziert der Saxofonist Andreas Pasternack aus Rostock. Statt einer einführenden Rede findet ein Podiumsgespräch mit Birgit Maria Wolf statt.
Der mehr als sieben Meter lange, mit Sand auf Leinwand gemalte Fries der Berliner Künstlerin Birgit Maria Wolf zeigt Pflanzen, die auf der Weißdüne gedeihen und hier den Widrigkeiten dieses Naturraums in Zeitspannen trotzen, mit denen die Spanne der menschlichen Geschichte sich nicht messen kann. Manche dieser Pflanzen sind selten geworden, wenn nicht gar vom Aussterben bedroht. Ihre unscheinbare Überlebenskraft faszinierte die Künstlerin und regte sie zu dem "Weißdünen-Fries" an.
Der Fries führt frühere florale Arbeiten Wolfs weiter. Hatte ihr 2010 in Ahrenshoop vorgestelltes "Bernsteinzimmer" auf kulturelle Verluste rekurriert, so geht es in dieser aktuellen Arbeit um das elementare Leben in seiner Fragilität und seinem Beharrungsvermögen. Die Pflanzenwelt der Weißdüne war der Künstlerin Anlass, dafür ein Gleichnis zu schaffen, das sich ganz wesentlich über die Schönheit der filigranen Darstellung vermittelt. Betont wird dies zusätzlich durch die Verwendung des flüchtigen Elementes Sand. Birgit Maria Wolf hat die Flora der Weißdüne 2009 während eines Stipendienaufenthaltes im Edvard-Munch-Haus in Warnemünde erkundet und erhielt dabei Anregungen von der Botanikerin Hannelore von Büren-Rieder. Ihr "Weißdünenprojekt" erhielt 2010 im Kreativwettbewerb "Kunst und Wissenschaft" der Berliner Wirtschaftsgespräche e. V. den Publikumspreis.